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Blood & Sinners

  • Autorenbild: Linus Graber
    Linus Graber
  • 18. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Juni

Tanz der Teufel – Der fünfte Spielfilm von Ryan Coogler hat zwar seine Ecken und Kanten, doch er macht auf jeden Fall Lust auf mehr.

Der Abend im Juke Joint nimmt rasch eine unheimliche Wendung.
Der Abend im Juke Joint nimmt rasch eine unheimliche Wendung.

In den letzten zehn Jahren gelang Regisseur Ryan Coogler etwas Bemerkenswertes: In einer Zeit, in welcher die Regiearbeit bei grossen Franchisefilmen meistens hinter der Uniformität der Marke und den Entscheidungen der Produzenten verborgen bleibt, gelang es Coogler, mit «Creed» und «Black Panther» zwei grossen Blockbustern seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Man durfte sich also auf «Blood & Sinners» freuen – sein fünftes Regiewerk und nach zwölf Jahren seine erste Arbeit, die nicht auf bereits bestehendem «Intellectual Property» basiert. Sogar das Drehbuch schrieb Coogler selbst. Das Ergebnis ist eine Wundertüte, die trotz Ecken und Kanten Hoffnungen darauf weckt, was Coogler abseits der Franchisemaschinerie noch so alles bewerkstelligen wird.


Doch zuerst zur Handlung. «Blood & Sinners» (OT: «Sinners») ist grob angelegt in den 1930er-Jahren und handelt von den Zwillingsbrüdern Smock und Stack (beide Michael B. Jordan), die nach ihrer Zeit als kriminelle Handlanger in Al Capones Chicago in ihre Heimat in Mississippi zurückkehren, um dort einen Juke Joint, also eine Musikkneipe, zu eröffnen. Mit ihrem Geld aus Chicago kaufen sie sich eine alte Scheune und holen ihren Cousin Sammie ins Boot (Miles Caton in seinem Spielfilmdebüt), welcher sich rasch als begabter Bluesänger herausstellt. Bereits am selben Abend eröffnen die Brüder ihr Lokal mit grossem Erfolg. Doch die Bluesmusik lockt nicht nur Tanzfreudige an, sondern auch andere, blutrünstige Gestalten. Schon bald stehen drei unscheinbare Personen vor der Scheune, die höflich bitten, eingelassen zu werden …


Wer «Blood & Sinners» mit möglichst wenig Vorwissen sehen möchte, dem rate ich, hier nicht weiterzulesen. Wer aber bereits auf den Trailer oder sonstige Presseartikel gestossen ist, dem dürfte der Twist dieses Films bereits bekannt sein: Das Trio, angeführt vom charmanten Remmick (Jack O’Connell), sind keine vorbeistreunenden Folkmusiker, sondern Vampire.


Ein Vampirethriller also à la «From Dusk Till Dawn» im Setting des frisch von der Sklaverei befreiten amerikanischen Südens, unterlegt mit den Klängen des Deltablues? Hört sich erst mal ganz schön gut an. Und viele Elemente dieser Gleichung gehen auch tatsächlich ganz gut auf. Inszenatorisch ist das, was wir in der ersten Stunde erleben, ganz grosse Klasse. Bevor der Vampirabend im Juke Joint nämlich losgeht, nimmt uns Coogler mit in ein Mississippi der 1930er-Jahre, das dank Kamerafrau Autumn Durald Arkapaw und den IMAX-Aufnahmen nicht nur atemberaubend aussieht, sondern durch die Liebe zum Detail einen förmlich in den Film hineinzieht. In der ersten Stunde treffen die Brüder alte Bekannte, Freunde und Liebhaberinnen. Der Film nimmt sich Zeit, diese Figuren einzuführen – was sich in der zweiten Hälfte auszahlt. Gleichzeitig lernen wir dadurch das Milieu kennen, in welchem diese Figuren leben und aufgewachsen sind. Ein Amerika, in welchem die Sklaverei zwar abgeschafft wurde, die Zweiklassengesellschaft aber noch immer stark verankert ist. Der weisse Herr ist nicht mehr direkt sichtbar, doch die Arbeit auf dem Baumwollfeld geht weiter. Dieser ewige Kampf der schwarzen Bevölkerung ist eine Thematik, welche sich – wie auch in den bisherigen Filmen von Coogler – durch den gesamten Film zieht.


Sie ist auch präsent im Blues, einer Musikrichtung, die genau aus diesen Verhältnissen entstanden ist. Musik ist ein zentrales Element von «Blood & Sinners» – handlungstechnisch wie auch thematisch. Mit der Musik wird eine Geschichte der kulturellen Abgrenzung und Assimilation erzählt. In der sicherlich eindrucksvollsten Sequenz des Films sehen wir, wie Musik Vergangenes und Zukünftiges vereint, Kulturen verbindet und förmlich das Raum-Zeit-Kontinuum sprengt. Miles Caton, der hier sein Spielfilmdebüt gibt, beeindruckt mit seiner Stimme, während die Filmmusik von Ludwig Göransson («Oppenheimer») bereits zu den Favoriten des Jahres gezählt werden darf.


Nicht nur Michael B. Jordan glänzt in seiner Doppelrolle: Der Film hat ein grosses Ensemble mit starken Figuren.
Nicht nur Michael B. Jordan glänzt in seiner Doppelrolle: Der Film hat ein grosses Ensemble mit starken Figuren.

Coogler schafft den Aufbau so gut, dass man – selbst nachdem man nach der Hälfte des Films noch keine Vampire gesehen hat – trotzdem am Ball bleibt. Leider bleibt ein Grossteil dieses Potenzials in der zweiten Hälfte liegen. Zwar werden die Vampire gut eingeführt und sind wieder einmal erfrischend konventionell (Angst vor Knoblauch, Tod durch Holzpfähle etc.), doch der Film bleibt nach ihrem Auftauchen etwas auf der Stelle stehen. Der Rest der Handlung bietet wenig Überraschung, und das grosse Finale wirkt fast etwas überstürzt. Die Bedrohung durch die Vampire wird schnell als generisches Action-Setpiece abgehandelt. Auch der Schnitt wirkt immer mal wieder etwas unbeholfen und zieht den Film gegen Ende mit wiederholenden Rückblenden unnötig in die Länge.


Das Resultat ist ein durchzogenes Werk, das viele interessante Ansätze liefert, allerdings nicht überall überzeugen kann. Teils liegt das vielleicht an Cooglers inszenatorischer Unerfahrenheit im Horrorgenre. Nichtsdestotrotz ist «Blood & Sinners» ein interessantes Werk – ein Ideenmix, für den sich der Besuch im Kino lohnt. Gerne mehr Vampirfilme, gerne mehr Michael B. Jordan (der hier in der Doppelrolle absolut überzeugt) und gerne mehr Ryan Coogler ausserhalb von Franchisefilmen.






 
 
 

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